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Über die Hermes-Kampagne
Über die Hermes-Reform-Kampagne

Hermes Kampagne: Rundbrief 2 Dezember 1997

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer einer Hermes-Reform,

Zum Jahresende möchten wir Sie über die neuesten Entwicklungen in der Hermes-Kampagne, die bisherigen Reaktionen der Politik und unsere Planungen für 1998 informieren. Inzwischen haben 117 Organisationen und Einzelpersonen unsere Kampagnenplattform unterzeichnet (bitte prüfen Sie auf der beiliegenden Liste, ob der Name Ihrer Organisation korrekt aufgeführt ist).

Rexrodts Reaktion auf die Hermes-Kampagne

"Wir brauchen keine Hermes-Reform" verkündete Wirtschaftsminister Rexrodt anläßlich eines Pressegesprächs am 22. Oktober in Bonn. Das federführende Ministerium hat damit zum ersten Mal offiziell auf unsere Kampagnenforderungen und auf die verschiedenen parlamentarischen Initiativen (s.u.) für eine Reform der staatlichen Export-Bürgschaften reagiert. Ob die von Minister Rexrodt vorgetragene Position zwischen den im Interministeriellen Ausschuß beteiligten Ministerien (Wirtschaft, Finanzen, Auswärtiges und BMZ) abgestimmt ist, ist eher unwahrscheinlich. Der Zeitpunkt des Pressegespräches, das keinen konkreten Anlaß hatte, deutet eher darauf hin, daß das Wirtschaftsministerium "Flagge zeigen" wollte und versucht, wieder die Meinungsführerschaft in der Auseinandersetzung über die Hermes-Reform zurückzugewinnen.

Bei einem genaueren Blick auf die Erklärung Rexrodts fällt auf, daß zentrale Forderungen unserer Kampagne (mehr Transparenz und Öffentlichkeit, keine Rüstungsexporte) aus der Bewertung des Ministeriums komplett herausfallen. Statt dessen wird der internationale Wettbewerbscharakter der Hermes-Ausfuhrgewährleistungen betont und uns der pauschale Vorwurf gemacht, ein "Instrument der Wirtschaftspolitik politisieren" und "für sachfremde Zielsetzungen" mißbrauchen zu wollen.

Rexrodts Reaktion zeigt, daß es unserer Kampagne offensichtlich geglückt ist, die Auseinandersetzung über umwelt- und entwicklungspolitische Förderkriterien für Hermes-Bürgschaften bis auf die höchste politische Ebene zu transportieren. Ein Lernprozeß hat dort bislang allerdings noch nicht eingesetzt. "Die Zukunftsfähigkeit deutscher Exporte" hat für das Wirtschaftsministerium nach wie vor Vorrang vor allen anderen Zielen. Umweltbelange, menschenrechtliche und entwicklungspolitische Fragestellungen sind für das BMWi lediglich Bestandteil einer "realistischen Risikobewertung". Es fehlen aber gerade hierfür verbindlichere Kriterien und ein Leitfaden für die Beurteilung ökologischer und sozialer Risiken. Das Kohärenzgebot wird letztlich als sachfremde Zielsetzung abgelehnt.

Unsere Forderung zu überprüfen, inwiefern bestimmte Projekttypen wie Atomtechnolgie oder gefährliche Chemikalien ganz aus der staatlichen Exportförderung herauszunehmen sind, wird nicht aufgegriffen. Auffällig still verhält sich das Wirtschaftsministerium auch gegenüber unserem Vorschlag, zivile und militärische Güter grundsätzlich nicht zu versichern, wenn ein militärischer Empfänger angegeben ist.

Bewußt fehlinterpretiert wird unsere Forderung nach formaleren und transparenteren Verfahren bei der Entscheidungsfindung. Unsere Vorschläge würden, so Rexrodt, "in erster Linie nur bürokratische Hürden aufbauen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der bislang so erfolgreichen deutschen Exportwirtschaft würde untergraben. Das ist das Gegenteil von dem, was unsere Wirtschaft angesichts des steigenden Wettbewerbsdrucks braucht."

Wir haben in unserer Kampagne allerdings immer wieder klargestellt, daß es uns im Rahmen einer Vorabprüfung der Projekte zunächst vor allem um eine Klassifizierung der Projekte in umweltneutrale, umweltrelevante und umweltschädliche geht. Ein solches Verfahren wird längst bei der US-Export-Import Bank praktiziert, ohne daß es zu überzogenen bürokratischen Strukturen oder wettbewerbsschädigenden Einbußen gekommen wäre.

Mit dem Argument etwaiger Wettbewerbsnachteile wird von Rexrodt auch unser Verlangen nach mehr Transparenz und Öffentlichkeit abgelehnt. Dagegen haben selbst Vertreter der Wirtschaft in Gesprächen mit uns immer wieder zugeben, daß hier Änderungen denkbar wären.

Unklar ist derzeit, ob das Wirtschaftsministerium unsere Forderung, unabhängige Umwelt- und Entwicklungsexperten in den Sachverständigenrat des Interministeriellen Ausschusses aufzunehmen, entsprechen will. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Umweltministerium (wenn auch nicht Mitglied im IMA) wollen sich für dieses Anliegen einsetzen.

Mit dem Vorwurf der Politisierung eines Exportförderinstrumentes wie Hermes können wir gut leben. Es war und ist erklärtes Ziel der Kampagne, eine breitere öffentliche Diskussion über den Reformbedarf dieses Instruments auszulösen. Zu einem guten Teil ist uns dies gelungen. Die scharfe Gegenreaktion aus dem BMWi kommt nicht überraschend. Sie zeigt, wo wir in unserer Arbeit in den nächsten Monaten ansetzen müssen. Das Jahr 1998 versuchen wir vor allem für eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. Die parlamentarische Diskussion der beiden Anträge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (s.u.) bieten hierfür ebenso einen Anlaß wie der bevorstehende Bundestagswahlkampf. Vor allem in den Wahlkreisen besteht für alle Kampagnenmitglieder die Möglichkeit, die Kandidaten nach ihren Positionen zu einer öko-sozialen Reform der deutschen Außenwirtschaftspolitik zu befragen. Eine entsprechende Handreichung werden wir Anfang 1998 erstellen.

Briefaktion an deutsche Banken

Für die Lieferungen von Generatoren und Turbinen zum Bau des chinesischen Drei-Schluchten-Dammes haben deutsche Firmen staatliche Hermes-Bürgschaften erhalten. Weil die Dresdner Bank, die DG-Bank, die Commerzbank und die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) dieses Geschäft mit Krediten in Höhe von 485 Mio. DM finanzieren, hat sich die Hermes-Kampagne in einem Brief an diese Banken gewandt. Darin weisen 42 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, die durch ihre Mitglieder über 500.000 Personen vertreten, die Banken auf die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Risiken des Projekts hin und fordern sie auf, ihre Beteiligung noch einmal zu überdenken. Eine Kopie des Briefes liegt diesem Kampagnenrundbrief bei.

Herzlichen Dank an alle, die den Brief in der (zugegeben) kurzen Rücklaufzeit mitgezeichnet haben. Einige haben zum Teil sehr detaillierte Änderungsvorschläge zurückgeschickt. Diese konnten wir leider nicht einarbeiten, da wir den Brief dann noch ein zweites Mal für das endgültige "OK" hätten verschicken müssen. Da uns dieser Brief aber besonders unter den Nägeln brannte, haben wir uns in diesem Fall dagegen entschieden. Bisher haben wir noch keine schriftliche Reaktion von den vier Banken erhalten.

In einem Gespräch mit der KfW am 12. November konnten wir das Thema "Drei-Schluchten" noch einmal vorbringen. Obwohl die Herren zugaben, daß sie sich ausschließlich auf die englischen Zusammenfassungen der Projektunterlagen der Betreiberfirma stützen, sind sie dennoch der Ansicht, daß das Projekt dem Umweltschutz dient und von kompetenten und verantwortungsbewußten Fachleuten durchgeführt wird. Wir haben den Gesprächspartnern von der KfW den Bericht von Sklar, Luers & Associates (s.u.) vorgelegt und werden bei unserem nächsten Treffen nachfragen, welche Schlüsse sie aus diesem Bericht gezogen haben.

In demselben Gespräch wurde uns auch hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt, daß rund 75 Mio US-Dollar der Exporte durch Hermes abgedeckt sind. Wir konnten mittlerweile über Reuters herausfinden, daß es sich um verbürgte Kredite in Höhe von genau 71,41 Mio US-Dollar- mit einer Laufzeit von 21 Jahren und einer rückzahlungsfreien Zeit von 9 Jahren handelt. 200 Mio US-Dollar werden über einen kommerziellen nicht-gedeckten Kredit finanziert mit einer Laufzeit von 17 Jahren und der gleichen rückzahlungsfreien Zeit. Hinsichtlich der anderen Banken werden wir uns noch ein wenig in Geduld üben, sollten wir jedoch bis Mitte Dezember nichts von ihnen hören, werden wir eine entsprechende Postkartenaktion folgen lassen.

Aktuelles zum Drei-Schluchten-Staudamm

Am 8. November wurde der Yangtze-Fluß an der Baustelle des Drei-Schluchten-Damms in einen künstlichen Seitenarm umgeleitet, um so den Bau des Staudammes und der Kraftwerksanlagen zu ermöglichen. Dieses Ereignis war auch in Deutschland Anlaß für eine umfangreiche Medienberichterstattung.

Im Vorfeld wurden die Befürchtungen über fehlerhafte Planung und unzureichende Dammsicherheit von US-amerikanischen Experten des Ingenieurbüros Sklar, Luers & Associates erhärtet. Sie hatten kürzlich auf Einladung der chinesischen Betreibergesellschaft Three Gorges Development Corporation die Baustelle besucht. Der Bericht der beiden US-Experten zeigt u.a., daß die Stabilität des Granituntergrundes und die Geschwindigkeit der Versandung des Umleitungskanals völlig falsch berechnet worden sind. Sklar und Luers sorgen sich insbesondere um die Sicherheit des sogenannten Fangdammes, der in der kommenden Trockenperiode errichtet werden und in der folgenden Regenzeit dem Hochwasserschutz dienen soll. Hinsichtlich der Sicherheit dieses Fangdammes monieren die Ingenieure vor allem den "hochgradig unkonventionellen Ansatz" der Konstruktionspläne und die allzu risikofreudige Ausrichtung des Dammes auf eine relativ niedrige maximale Flutstärke. Außerdem seien bei der Planung keine seismischen Aktivitäten berücksichtigt worden.

WEED und Urgewald haben in einer Pressemitteilung die Bedenken der US-Experten publik gemacht. Eine Zusammenfassung des Berichtes von Sklar, Luers & Associates ist bei uns auf deutsch, die Langfassung auf englisch erhältlich.

Parlamentarische Anträge zu Hermes

Als Resultat unserer Kampagnenarbeit haben inzwischen die SPD (Ernst Schwanhold, Ingomar Hauchler et al.) und Bündnis 90/Die Grünen (Wolfgang Schmitt et al.) Anträge zur Hermes-Reform in den Bundestag eingebracht.

Der Antrag der SPD (Reform der Hermes-Bürgschaft, BT-Drucksache 13/8577 vom 24.9.1997) fordert sowohl die generelle Einbeziehung umwelt- und entwicklungspolitischer Kriterien bei der Vergabe von Hermes-Bürgschaften, als auch eine stärkere Mittelstandsförderung und die Erhöhung der Plafonds für Lieferungen in die GUS-Staaten.

Bündnis 90 /Die Grünen setzen sich in ihrem Antrag (Demokratische, ökologische und entwicklungspolitische Gestaltung der Vergabe von Hermes-Bürgschaften, BT-Drucksache 13/8724 vom 8.10.1997) für eine detaillierte Neufassung der "Richtlinien zur Übernahme von Ausfuhrgewärleistungen des Bundes" ein. Tenor des Antrages: Staatliche Exportbürgschaften sollen künftig nur zulässig sein, "wenn in dem betreffenden Empfängerland durch das Vorhaben ökologische und entwicklungspolitische Grundsätze und die Menschenrechte nicht verletzt werden. Es sind nur solche Vorhaben zu fördern, die einer ökologisch und sozial verträglichen Entwicklung im Sinne der Agenda 21 nicht widersprechen."

Es ist zu erwarten, daß die erste Lesung dieser Anträge im Bundestag im Januar oder Februar 1998 stattfindet.

Darüber hinaus haben Bündnis 90/Die Grünen in zwei weiteren Anträgen auf besonders skandalöse Fälle staatlicher Exportbürgschaften hingewiesen. In einem Fall geht es um die Lieferung von Beobachtungs- und Aufklärungsgeräten zur mobilen Grenzüberwachung an die Türkei (BT-Drucksache 13/8564 vom 24.9.1997), im anderen Fall um die Vergabe von Hermes-Bürgschaften an Algerien, mit denen u.a. die Lieferung von Motoren für Küstenschutzboote an das algerische Verteidigungsministerium abgesichert werden soll (BT-Drucksache 13/8639 vom 1.10.1997).

In diesem Kontext sind uns weitere Fälle von Bürgschaften für deutsche Rüstungsexporte bekannt geworden, die die Dringlichkeit einer Reform der Vergabekriterien nochmals deutlich machen. Dabei handelt es sich um die Modernisierung von vier U-Booten und die Lieferung von 15 Patrouillenbooten für das indonesische Verteidigungsministerium.

Stand der internationalen Arbeit

Die internationale Harmonisierung und die Festlegung einheitlicher sozialer und ökologischer Auflagen für Exportkreditbürgschaften gehört zu den wesentlichen Forderungen unserer Kampagne. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit dem europäischen NRO-Netzwerk Eurodad und der Arbeitsgemeinschaft schweizerischer Hilfswerke die Initiative ergriffen und der Export Credit Group (ECG) der OECD die Durchführung eines internationalen NRO-Hearings vorgeschlagen. NRO aus Nord und Süd sollten dort über die ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Folgen staatlich verbürgter Exportvorhaben berichten und ihre Reformforderungen formulieren.

Zur Vorbereitung fand im November in Bern ein Gespräch mit einer hochrangigen OECD-Delegation statt. Die Ergebnisse sind allerdings mager. Den NRO wurde signalisiert, daß die ECG bei ihrem nächsten Treffen im März 1998 allenfalls an einer kurzen technischen Präsentation von NRO-Seite interessiert sei, nicht aber an einer umfassenden politischen Auseinandersetzung. Wir werden dennoch der OECD offiziell die Durchführung eines "Internationalen Hearings zu Exportkrediten und nachhaltiger Entwicklung" vorschlagen.

Zusätzlich planen wir für März 1998 einen internationalen Workshop in Mesum, zu dem NRO-VertreterInnen aus Nord und Süd eingeladen werden. Ziel ist es, mit ihnen über Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit zu Exportkreditbürgschaften zu diskutieren und sie für Kampagnen in ihren Ländern zu mobilisieren. Die Organisation dieser Veranstaltung liegt bei Urgewald.

Dokumentation des Fachgesprächs zu Hermes

Die Dokumentation des Fachgesprächs, das die GKKE und WEED am 12.9.1997 zum Thema "Hermes-Bürgschaften" veranstaltet haben, liegt diesem Rundbrief bei. Weitere Exemplare können zum Preis von 5,- DM (zzgl. Versandkosten) in der WEED-Geschäftsstelle bestellt werden.

Wir bedanken uns nochmals für Ihre Unterstützung und Mitarbeit in unserer gemeinsamen Kampagne und werden Sie auch 1998 über die weiteren Entwicklungen auf dem laufenden halten.

Jens Martens (WEED)

Barbara Unmüßig (WEED)

Caroline Zúniga (Urgewald)

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